Unser Sohn Tim war ein pflegeleichtes Baby. Ganz im Gegenteil zu seiner 2 Jahre älteren Schwester, die im 1.Lebensjahr viel Nerven kostete. Das holte Tim aber nun nach. Er akzeptierte nur schwer irgendwelche Grenzen, baute nicht so gerne Türmchen, wollte einfach nicht recht sprechen, un, was das Schlimmste war, er schlug und biß andere Kinder.

Der Kinderarzt beruhigte uns immer wieder, und meinte, wir sollten auch nicht immer mit dem Werdegang der großen Schwester vergleichen.

Um einfach mal eine andere Meinung zu hören, suchten wir eine andere Kinderärztin auf. Sie machte bei Tim einen "Denver-Suchtest". Tim war zu diesem Zeitpunkt 2 Jahre alt und der Test ergab nichts, bis auf eine verzögerte Sprachentwicklung.

Auf diesem Ergebnis ruhten wir uns aus. Zwar waren da immer Zweifel, Sorgen und Nöte, aber auch die Logopädin, die wir dann doch wegen der Sprachentwicklung aufsuchten, beruhigte uns jedesmal.

Dann kam Tim in den Kindergarten. Es dauerte nur etwa 3 Monate, als man mir dort meine Zweifel bestätigte. Die Kindergärtnerinnen meinten auch, da müsse mehr sein, als nur die Sprachverzögerung. Eigentlich wollten wir wieder diese zweite Kinderärztin aufsuchen, sie verwies uns allerdings wegen der viel besseren Diagnosemöglichkeiten auf die Westfälische Landesklinik für Kinder- u. Jugendpsychatrie (im folgenden nur noch Haardklinik genannt). Bis zu diesem Zeitpunkt dachten wir immer, dort seien nur schwer geistig behinderte Kinder. Dementsprechend schwer war für uns der Gang zu dieser Einrichtung. Aber wir gingen dort hin und ließen Tim testen.

Das Ergebnis war ein Hammer. Der Junge war nun 4 1/2 Jahre alt und hatte einen Entwicklungsrückstand von 18 Monaten. Zugleich war eine Frau von der Psychologischen Beratungsstelle im Kindergarten, um ein anderes Kind zu beobachten. Spontan fragte ich, ob auch Tim mit beobachtet werden könnte. Es klappte.Er war auffällig und wurde in die Beratungsstelle zu einem Test bestellt - mit dem gleichen Ergebnis wie in der Haardklinik.

Von da an ging Tim in die Beratungsstelle zum Psychomotorischen Turnen und in die Haardklinik zur Entwicklungstherapie "Montesori-Methode": Mit speziell entwickeltem, sehr anschaulichem Material oder durch einfache Dinge, die im Zusammenhang stehen, welche es dem Kind ermöglicht über mehrere Sinne gleichzeitig zu lernen.

z.Bsp.: Eine Zahl wird erlernt, nicht nur durch sehen und nachschreiben, sondern auch durch nachfahren mit dem Finger im Sand (Tastsinn) oder nachlaufen von auf den Boden geklebten Zahlen (Muskelkraft). Es werden demnach sensorische, motorische, sprachliche, schulische und lebenspraktische Fähigkeiten eingeübt und gefördert.

Nach einem halben Jahr kam noch das "Snoezeln" hinzu. Der holländische Begriff "Snoezeln" ist ein Phantasiebegriff und steht für Snüffeln - plakativ für alle Sinnbereiche und die Körperwahrnehmung. Doeseln - Entspannung für den emotionalen Bereich. In der Haardklinik fanden wir den "Weißen Raum", ausgefüllt mit weichen Matten, in dem Lichtprojektionen (Wassersäulen, Spiegelkugeln, Flüssigkeitsprojektor) insbesondere die optische Wahrnehmung ansprechen. Im Wasserbettraum, wo man auf einem großen Bett unter einem farbig angestrahlten Fallschirm liegend, Musik als Vibration erfahren kann. Das Bällchenbad, gestyltind Nordseebadatmosphäre. DerAktionsraum mit Boxsack, Hängematte und einer Vielzahl von Knautschkissen, sowie den Flurbereich mit Spielgeräte (Kugelbahn, Zaubertafeln, usw). Die räumliche Atmosphäre wird untermalt von sanfter Meditationsmusik.

Nach einigen Monaten wechselte Tim vom Snoezeln zur "Ergotherapie".

Als Tim 5 1/2 Jahre alt war, wurde er wieder in der Haardklinik getestet. Das Ergebnis war eigentlich supergut. Er hatte in dem einen Jahr ein ganzes Jahr entwicklung geschafft, plus 4 Monate - das Manko lag also nur noch bei 14 Monaten.

Nun sollte eine harte Zeit auf uns zukommen. Tim wurde gerade 6 Jahre alt, als er teilstationär (von 8:00 Uhr - 16:00 Uhr)in der Haardklinik aufgenommen wurde. Etwa 2 Wochen später empfahl man uns den stationären Aufenthalt (nur an den Wochenenden Zuhause). Die Therapiemöglichkeiten waren größer und auch das Gruppenempfinden war besser. Er hatte ja noch immer Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Kindern.

Nach 4 -scheinbar nie enden wollenden- Monaten wurde unser Sohn entlassen.

Diagnose: Kein Entwicklungsrückstand mehr !!!!

Zwar gehen wir zur Verinnerlichung noch zur Ergotherapie, auch der Redefluß - das Sprechen - ist noch nicht 100%ig, aber das bisschen schaffen wir jetzt auch noch. Diese 4 schweren Monate empfand Tim übrigens als "prima Sache" ( ab und an etwas Heimweh). Diese Zeit war entscheidend für sein Leben - er kann jetzt als normales Kind seinen Weg gehen.

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